Neurodiversität (2): Asperger Autismus ASS, Hochsensibilität HSP, ADHS
Salzwasserfisch im Süßwasser (Teil 2) - Ein Rückblick und der Versuch, durchzublicken
In Teil 1 habe ich versucht, tiefer in die Thematik einzusteigen bzw. meine Gedanken zu sortieren, da ich mich in diesem Spektrum selbst wiederzufinden glaube.
Was passiert eigentlich nach einer entsprechenden Diagnose durch einen Experten? Und was passiert, wenn ich mir eine solche Diagnose lediglich selbst stelle (anhand eingehender Recherche und Beschäftigung mit dem Themenkomplex, Selbstanalyse sowie positivem Testergebnis)? In ersterem Fall steht mir der Gang zum Therapeuten offen (sofern ich einen solchen Weg für sinnvoll halte) bzw. wird die Krankenkasse eine solche Therapie bezahlen. Außerdem wird mir mein Umfeld ein gewisses Verständnis zubilligen. Im zweiten Fall bin ich auf mich selbst angewiesen und mein Umfeld wird mich eventuell sogar schräg ansehen und mir nicht glauben, wenn ich meinen Verdacht äußere. Gerade die gut angepassten neurodiversen Menschen, so wie ich, fallen in ihrem Verhalten ja nicht unbedingt auf.
Welchen Grund könnte es haben, dass die Zahlen der Autismus/AD(H)S-Diagnosen so rasant ansteigen? Vielleicht gibt es diese große Anzahl neurodivergenter Menschen schon lange. Vielleicht ist die steigende Zahl ja lediglich darauf zurückzuführen, weil heute der Anpassungsdruck nicht mehr so groß ist wie früher und mehr Verständnis vorhanden, was Betroffene mutiger macht und ihnen die Möglichkeit gibt, sich zu zeigen, wie sie sind. Und wenn wir schon dabei sind… Ist diese Norm, sind diese Normen, in die wir uns hineinfügen sollen überhaupt noch zeitgemäß? Sind sie so gemacht, dass Mensch sich darin wohl fühlt?
Dass ich anders bin als die anderen, das fiel mir selbst erst auf, als ich in die Schule kam. Diesen Wettbewerb dort um Beachtung und die besten Noten fand ich schlimm. Schriftlich gelang mir das zwar ganz gut, aber neben den Extrovertierten und Lauten verließ mich immer der Mut, mich auch mündlich hervorzutrauen. Dies war ein unsicheres Feld für mich. Versuchte ich es doch einmal, schlug mein Herz bis zum Hals und wenn ich ansetzte, um zu sprechen, war das was ich sagen wollte – all die schönen Sätze und das Wissen in meinem Kopf – nicht mehr greifbar. Diese Augenblicke waren mehr als peinlich. Ich fing zu stottern an, verhaspelte mich oder hatte Blackout.
Mit am schlimmsten war der Anpassungsdruck…
Warum anpassen? Ja, um ein gewisses Maß an Anpassung kommen wir nicht herum, wollen wir friedlich als Gesellschaft zusammenleben. Aber bis zu welchem Grad ist Anpassung gesund und auch sinnvoll und ab wann macht der Anpassungsdruck Menschen krank? Und wenn der Mensch krank wird, stimmt dann etwas mit ihm nicht oder mit dem Umfeld, dem er sich anpassen soll? Die Sache ist sicher komplex.
So sollte man sich vielleicht auch fragen, warum es immer mehr Menschen werden, die mit der/den vorgegebenen Norm/en nicht (mehr) zurechtkommen. Oder sich sehr anstrengen und verbiegen müssen, damit dies gelingt. Was sie wiederum psychisch leidend und im weiteren Verlauf auch körperlich krank macht. Ist/sind also nicht in erster Linie die Norm/en zu hinterfragen?
U.a. Geburt: unnatürlich und im !Kranken!haus, Familienstruktur: Geborgenheit innerhalb der Familie bleibt den Kindern vorenthalten oder wird lediglich künstlich inszeniert, rigide Fehl-Konditionierungen (auch aufgrund von nicht verarbeiteten Traumata der Eltern) werden fortgesetzt, viel zu frühes Abgeben der Kinder in Einrichtungen, weil beide Eltern arbeiten (müssen?), dazu ein vollkommen verkrustetes Bildungs-/Schulsystem, welches auf Wettbewerb, “sich gegenseitiges Ausstechen”, anstatt auf Kooperation und Gemeinschaft ausgerichtet ist. Eigentlich ist es auch von diesen Gesichtspunkten her nur logisch, dass die eingangs erwähnten Dispositionen immer mehr zunehmen. Unser Nervensystem und unsere Seele kann garnicht anders, als auf das, womit uns die Umwelt konfrontiert, entsprechend zu reagieren. Vieles davon IST traumatisierend. Dazu kommt noch die Disposition unserer Vorfahren. Auch sie bzw. ihr Nervensystem musste auf äußere Faktoren reagieren. Unverarbeitete Traumata, welche durch Kriege, Vertreibung und andere Katastrophen die psychische wie physiologische Struktur unserer Vorfahren einfärbte, werden durch epigenetische Mechanismen über die DNA an nachfolgende Generationen weitergegeben. Das sind Erkenntnisse, die noch recht neu sind.
Sehr empfehlenswertes Video »Was Autismus & ADHS mit Trauma zu tun haben«, was viele meiner eigenen offenen Fragen geklärt hat. Auch habe ich mich in sehr vielem wiedererkannt:
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass transgenerationale Traumata ursächlich sind für Hochsensibilität, AD(H)S- und auch Autismus-Prägung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Betroffene mit einem traumatisierten Nervensystem zur Welt kommen. Heute geht man des weiteren davon aus, dass die hochsensible autistische/AD(H)S-Grundstruktur ein erhöhtes Risiko für traumatische Erfahrungen birgt.
Als wäre ich auf dem falschen Planeten gelandet…
Damals, ich bin 1961 geboren, interessierte sich leider noch niemand für Neurodiversität oder Neurodivergenz. Asperger/Autismus oder AD(H)S, Hypersensibilität, etc. Natürlich gab es das damals auch schon. Nicht in der Häufigkeit wahrscheinlich – oder eben doch, weil lediglich unentdeckt. Da meine Hochsensibilität und meine zurückhaltende Art, meine Angewohnheit, mich gerne zurückzuziehen oder mich alleine zu beschäftigen das Umfeld nicht störte, fiel auch ich nicht weiter auf. Im Gegensatz zu meinem hyperaktiven Bruder… Ich war immer die, die vernünftig sein sollte. Eine jener Introvertierten, Stillen, Unauffälligen, die sich bemühte, den Anforderungen, die an sie gestellt wurden, gerecht zu werden.
In der ersten und zweiten Klasse ging das ganz gut. Da hatte ich an vielen Dingen im Unterricht noch Spaß. Auch dank einer lieben Lehrerin und weil ich ganz gute Noten erzielte, wenn auch meine sehr spärlich stattfindende mündliche Mitarbeit in jedem meiner Zeugnisse angemahnt wurde. Im Rückblick glaube ich, dass ich mich bereits damals schon oft gestresst fühlte. Wir waren über dreißig Kinder in einer Klasse, was für jemanden, der hochsensibel tickt eine ziemliche Belastung ist.
In der fünften Klasse folgte dann der Übertritt aufs Gymnasium… Andere Schule, andere Klassenkameraden. Neuerlich Stress für mich und neuer Anpassungsdruck.
Ich ging nicht gerne dorthin. Schon den Kindergarten hatte ich nicht gemocht. Zum Glück sah es die Fügung vor, mir immer eine Freundin zur Seite zu stellen. Das war wenigstens ein kleiner Trost. Doch dieser Leistungsdruck – und meine Angst nicht zu genügen – zudem Schulfächer, die mich nicht interessierten, das Ausgefragt werden vor der Klasse, Arbeiten schreiben, die vielen Energien in einem Raum, in dem man zu bleiben hatte, bis die Schulglocke klingelte, all das machte das Schulleben schwer. Ich versuchte trotzdem mitzurudern. Weil ich musste. Weil ja alle es machten und ich der Überzeugung war, keine andere Wahl zu haben. Das sagten auch meine Eltern. »Das ist halt so«, »Da muss man durch«…
Ich war 12 oder 13, als sich etwas grundlegend in meiner Psyche veränderte. Auch begann ich mich fremd im eigenen Körper zu fühlen. Wenn ich alleine war, fiel ich in eine traurige Grundstimmung und eine Schwere ergriff von mir Besitz. Die Dinge machten mir alleine keine Freude mehr. Auch wurde ich den Eindruck nicht los, dass andere in der Lage waren, besser (als ich) an die Dinge des Lebens heranzugehen, mit ihnen umzugehen. »Leichtfüßiger« als ich. Sie waren in der Lage, sich an etwas zu freuen oder an etwas Spaß zu haben, das mich eher nervte. Ich wollte sein, wie die anderen und versuchte es ihnen gleich zu tun. Immer wieder. Ging mit Freundinnen in die Disco. Redete mir ein, dass mir das Spaß macht. Doch eigentlich war ich jedes Mal froh, wenn ich wieder zuhause war. So eine Unternehmung mit der besten Freundin zusammen machte zwar tatsächlich irgendwie Spaß (weil es schön war, mit ihr zusammen zu sein), aber die vielen Menschen, die Lautstärke, das war Stress pur. Ich gestand mir nicht ein, dass eine solchen Unternehmung keinen Mehrwert für mich brachte, dass sie mich sogar negativ beeinträchtigte. Ich sah ja, dass es den anderen Spaß zu machen schien. Also hatte ich auch Spaß zu haben. Nein, eigentlich war mir der Sachverhalt so garnicht bewusst. Ich dachte nicht darüber nach, warum ich keinen Spaß an bestimmten Unternehmungen, an bestimmten Orten hatte sondern suchte den Fehler bei mir. Es waren viele Jahre, in denen ich gegen meine Natur lebte, sie einfach überging.
So kam es, wie es kommen musste und ich geriet in eine Lebenskrise. Allerdings erst in meinen 40ern. Heute hinterfrage ich so vieles. So vieles wird mir bewusst. Doch damals hinterfragte niemand. Die einzige Möglichkeit schien die Anpassung an das äußere System, an die vorgegebene Struktur zu sein. Und so zu werden wie die anderen. Mich so wie sie zu verhalten.
Wie viele wie ich mochten es damals schon gewesen sein, deren wahres Wesen ebenfalls unerkannt blieb, oft auch verkannt und sie sich selbst ein Rätsel?
Für Betroffene ist es wichtig zu verstehen, dass es ihr Nervensystem ist, was sich von dem der anderen unterscheidet. Es macht keinen Sinn, dass von ihnen eine Anpassung gefordert wird, die sie nicht leisten können. Auch für Angehörige ist es wichtig, das zu sehen und zu verstehen. Freie Entfaltung ist nur möglich, wenn der Rahmen hierfür gegeben ist. Fehlt dieser, so ist die freie Entfaltung behindert und man kann nicht herausfinden, wer man wirklich ist.
Ich bin heute 63 Jahre alt. Einen Großteil meines Lebens wusste ich nicht, warum ich bin wie ich bin. Ich wusste nicht einmal, dass ich überhaupt anders bin. Heute gibt es Klassifizierungen für all das. Auch für das, was als »normal« gilt: Neurotypisch.
Laut DocCheck Flexikon:
Neurotypisch ist ein Neologismus und bedeutet »neurologisch typisch« oder »neurologisch normal«. Der Begriff wird verwendet, wenn bei einem Patienten keine neurologischen Auffälligkeiten feststellbar sind und der Befund somit der »Norm« entspricht. 1
Ich frage mich immer, nach welchen Kriterien das alles festgelegt wird. Bzw. WER diese Kriterien festlegt und auf welcher Grundlage?
Wozu dienen diese ganzen Einteilungen? Damit »die richtige« Therapie erfolgen kann? Damit der Therapeut weiß, welchen Schlüssel er bei seiner Meldung an die Krankenkasse benutzen muss? Oder dient das Klassifizieren auch den Betroffenen? Okay, vielleicht bekommt man mehr Verständnis von außen, wenn man eine entsprechende Diagnose vorweisen kann. Und wie geht »das Außen« dann damit um? Wie kann man den Mitmenschen die eigene Disposition näher bringen oder Eltern die Disposition ihres Kindes den Lehrern erklären, wenn diese sich noch nie mit der Thematik beschäftigt haben? Wäre es nicht wichtig, dies in die Ausbildung der Lehrerschaft mit einzubeziehen?
In Wahrheit gibt es ihn ja sowieso eher selten, den Rein-Autisten, den Rein-Hochsensiblen, den Rein-ADHSler. So hilfreich ich es einerseits finde, dass heute mit einem anderen Blick auf das »anders« sein geschaut wird, so sehr kann es auch verwirren. Schon allein die ganzen Überschneidungen, die Komorbiditäten:
Autismus plus ADHS, ADHS und ADS, ADHS/ADS plus Hochsensibilität, Autismus plus Hochsensibilität…. (hierauf bin ich in Teil 1 ja bereits näher eingegangen).
Ich selbst kann mich in vielen der Zuordnungen wiederfinden. So sehr ich die heutige Aufklärung begrüße, so wenig mag ich es, per Klassifizierung in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden. Andererseits hat es mir aber auch dabei geholfen, dieses Gefühl, irgendwie »falsch zu sein«, loszuwerden. Einerseits begrüße ich also die Forschung und die Bemühungen, die auf diesem Gebiet stattfinden, andererseits werde ich den Eindruck nicht los, dass es lediglich darum geht, »spezifisches Verhalten« zu analysieren, zu zerpflücken, um es klassifizieren zu können und zu unterteilen in dieses und jenes. Und um alle möglichen Therapien an den Menschen auszuprobieren… Gute Therapeuten sind ja leider selten…
SEIN, wie ich bin.
Um Lösungen zu finden gilt es, das Gesamtkonstrukt Mensch und Gesellschaft bzw. die Systeme unseres Zusammenlebens zu untersuchen
In meiner eigenen Lebensgeschichte ist vieles von dem enthalten, was als Ursache für ein verändertes Nervensystem in Frage kommt. Schwer traumatisierte Mutter, Großmutter und Urgroßmutter (durch Krieg, Flucht, Heimatverlust, Lager-Gefangenschaft). Dies lässt ein auf mich weitervererbtes transgenerationales Trauma vermuten. Alle lebten wir mit meinem (hochgradig impulsiven und oft cholerischen) Vater und mit meinem zehn !Monate! jüngeren Bruder in einem Haus zusammen. Traumatisierung war damals in den 60er Jahren kein Thema. Die Menschen mussten selbst schauen, wie sie zurecht kommen mit ihrem inneren Leid...
Meine geliebte Urgroßmutter, ein Fels in der Brandung, wie ich nachlesen konnte in der für sie verfassten Trauerrede, starb als ich vier Jahre alt war. In meiner Erinnerung ist sie sehr lebendig. Meine Großmutter war anders. Sehr in sich gekehrt. Schweigsam. Depressiv. Ich nächtigte bis zu meinem vierten Lebensjahr neben ihr in ihrem großen Ehebett. Sie links und ich rechts. Morgens beobachtete ich sie oft dabei, wie sie mit ihrem Rosenkranz in ihr Gebet vertieft war. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie mir abends beim Zubettgehen jemals vorgelesen hätte oder ich mit ihr als Kind gekuschelt hätte. Nur einmal ist mir in Erinnerung. Als ich einen Alptraum hatte, und ich mich in ihre Arme flüchtete. Aber sie konnte nähen und kochen und liebte das Pflanzen und den Garten, weckte Kirschen ein und machte Saft aus den Johannisbeeren. Ihr Apfelstrudel war legendär.
Meine Mutter war das komplette Gegenteil. Fröhlich. Dazu ein liebenswerter Mensch, der Liebe versprühte. Sie war immer am Reden, mit sehr lebhafter Ausdrucksweise! Um nicht zu sagen hektisch. Ja, sie konnte nicht ruhig sitzen. Auch beim Essen nicht... Das führte des Öfteren zum Streit mit meinem Vater. Auch mein Bruder war äußerst lebhaft. Heute hätte man gesagt hyperaktiv. Ich dagegen das Gegenteil. Ruhig, in mich gekehrt. Naturverbunden. Zum Glück hatten wir einen großen Garten und es gab eine Schaukel. Wunderbar frei fühlte ich mich, wenn ich hoch und höher dem Himmel und der Sonne entgegen flog. Auch Spiritualität zog mich an. Ich ging freiwillig in die Sonntagsmesse, was meine Großmutter sehr freute. Weder meine Mutter, noch mein Vater gingen regelmäßig in die Kirche...
Ich ging allerdings hauptsächlich dorthin, weil meine Freundin Birgit zur Messe musste. Und weil ich so gerne mit Birgit zusammen war und dies die Gelegenheit dazu. Hinterher durfte ich dann immer noch mit zu ihr. Und wir schauten »Sendung mit der Maus«. Wahrscheinlich liebte ich dieses sonntägliche Ritual aus vielen Gründen. Gründe, die mir heute erst bewusst werden.
Irgendwann heiratete ich und bekam zwei Kinder. Zuerst einen Sohn. Wir lebten zu dieser Zeit in einem kleinen Dorf, wo wir kaum jemanden kannten. Damit er Kontakt zu Gleichaltrigen hatte, besuchte ich regelmäßig eine Kindergruppe mit ihm. Er liebte Autos und Traktoren. Wenn er sich mit einem Spielzeug beschäftigte, dann tauchte er komplett ein. Ließ sich selbst dann nicht aus seinem Spiel reißen – so wie die anderen Kinder –, wenn wir in der Gruppe zusammen kamen und tanzten und Lieder sangen. Bzw. kam er meistens irgendwann später dazu, wenn er fertig gespielt hatte. Er begann sehr früh zu sprechen. Auf einer längeren Zugfahrt tat er sich schwer, sitzen zu bleiben. Ich versuchte dann immer, ihn mit irgendetwas zu beschäftigen. In der Grundschule beklagte sich seine Lehrerin, weil er nicht gut ruhig auf seinem Stuhl sitzen konnte. Sie sagte, er würde oft unkonzentriert wirken, wäre aber auf Nachfrage durchaus »im Thema«. Er konnte bereits sehr früh und sehr gut lesen. Zuhause spielte er ausdauernd mit Lego und er verschlang Bücher wie andere Kinder Süßigkeiten verschlingen. Wir waren jede Woche zusammen in der Bücherei und holten Nachschub. Besonders die Wissensbücher für Kinder faszinierten ihn. Seine Noten waren gut, seine Handschrift allerdings kaum zu lesen. Ohne Mühe lernte er Texte auswendig und glänzte durch seine schnelle Auffassungsgabe. Trotzdem nervte mich seine Lehrerin so lange, bis ich beschloss, eine Diagnose stellen zu lassen, ob es AD(H)S sein könnte. Letztendlich wurde dies nicht diagnostiziert damals, allenfalls eine Wahrscheinlichkeit. Dies aufgrund meiner Schilderung der Sachlage. Er hatte Freunde, war gut im Sport und wechselte aufs Gymnasium. Dort begannen dann nach zwei Jahren allerdings die Schwierigkeiten. Auch wegen seiner schlechten Schrift… Mehrere Kunstlehrer waren nicht zufrieden mit seinen Werken. Gerade von denen hätte ich tatsächlich mehr erwartet. Doch die Lehrerschaft war insgesamt ohne Verständnis für seine Spezifitäten. Er sollte sich mal schön anpassen. Ein solch starres Schulsystem war nicht vorbereitet auf Menschen wie ihn. Und das tat mir in der Seele weh! Er verlor vollkommen die Lust, dort hinzugehen. Schwänzte den Sport und verschiedene Lehrer beschwerten sich. Es gab wenige mit Verständnis. SEHR wenige. Nur vereinzelt. Irgendwann wechselte er dann die Schule. Doch auch dort wurde es nur bedingt besser.
Das alles erinnerte mich an meine eigene Schulzeit. Und wie ich die Schule hasste…
Ich bin froh, dass heute sehr viel offener mit diesen Dingen umgegangen wird. Ein Wissen und damit einhergehendes Verständnis den Betroffenen gegenüber herrscht. Sehr viele Betroffene ahnen allerdings selbst oft nicht, dass sie betroffen sind. Gerade die »älteren Jahrgänge«, so wie ich.
Hier zu Teil 1:
Neurodiversität: Asperger Autismus ASS, Hochsensibilität HSP, ADHS (1)
Die Erkenntnis, dass ich selbst dem »Spektrum der Neurodivergenz« zugehöre, ist noch recht frisch – obwohl ich schon sehr lange eine gewisse Vermutung habe, auch auf Grund familiärer Dispositionen. Ob ich den Gang zum Arzt tun werde, um eine Diagnose einzuholen, weiß ich noch nicht. Ich bin schon 63 und dies wird an …
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Er [der Begriff neurotypisch] wird speziell zur Abgrenzung bei der Diagnose von Autismus-Spektrum-Störungen angewandt, um das wertende Antonympaar "normal" und "anormal" zu umgehen.